Schönes, Schäbiges und Schwankendes

Es wird Brigitte Kronauer gelegentlich vorgeworfen, ihre Texte ließen den Plot vermissen. Ihr aktuelles Werk „Das Schöne, Schäbige, Schwankende“ trägt vorsorglich den Untertitel „Romangeschichten“ und so ist es auch zu lesen. Ihre Zuneigung gilt Sonderlingen, seltsamen Käuzen, Vögeln und Schönheit in jeder Form. Wie einer ihrer geliebten Vögel pickt sie mit großer Meisterschaft aus dem Repertoire des Lebens das im Titel erwähnte Schöne, Schäbige und Schwankende heraus. Wie ein roter Faden zieht sich viel Autobiographisches durch den Text. Zunehmend kann man bemerken, dass sich ihre Geschichten von anfänglich kurzem Umfang immer ausführlicher, teils auch ausschweifender gestalten. Neben völlig alltäglichen Begebenheiten tauchen Doppelwesen zwischen Mensch und Tier auf. Tiere haben für Brigitte Kronauer eine ganz besondere Bedeutung. Wie in ihren anderen Romanen hat das tierische Personal einen hohen Stellenwert. Gerade in ihrem letzten Werk nehmen auch die Reflexionen über Zeit, Krankheit, Verfall und Alter zu. Während der Inhalt der neununddreißig sehr unterschiedlichen Geschichten oft rätselhaft und ohne erkennbares Ende ist, gestaltet sich ihre Sprache grundsätzlich klar und präzise. Sie wechselt häufig von einer einfachen Ausdrucksweise – vor allem in den Ich-Erzählungen – zu einer fast mythischen Dimension und lässt die Leserin oft in einiger Verwirrung zurück. Nicht entziehen kann man sich ihrer Sprachmächtigkeit, die das Gelesene zu einem bemerkenswerten Erlebnis macht.
Monika Zopf
Brigitte Kronauer: Das Schöne, Schäbige, Schwankende. Romangeschichten.
596 Seiten, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2019 EUR 26,00