Sexarbeit – neoliberale Begriffsverwirrung?

Anita Kienesberger beschäftigt sich in „Fucking Poor“ mit politischen Debatten über Prostitution. Sie stellt dabei die These auf, dass der Begriff „Sexarbeit“ einem entpolitisierten Normalisierungsdiskurs entspringe, der die Ausbeutung von Frauen verharmlose und legitimiere. „Sexradikale Ansätze“ würden verabsäumen, Prostitution als Ausdruck patriarchaler Ungleichheit zu lesen. Dies komme einer neoliberalen Marktlogik, in der auch weibliche Körper zu Waren werden, entgegen. Mit Millet argumentiert die Autorin, dass Prostituierte keine freiwilligen Dienstleistungen, sondern unter Zwang ihre Würde und ihren Körper verkaufen. Unter Rückgriff auf MacKinnon spricht sie sich für ein Verbot von Prostitution nach schwedischem Vorbild aus. Kienesberger, Mitbegründerin der Initiative „Stopp Sexkauf“ 2012, ist anzurechnen, dass sie Prostitution in den Kontext patriarchaler, kapitalistischer (nicht thematisiert werden rassistische) Machtverhältnisse stellt. Ihre Analyse von Sexarbeits-Positionen, die sie u.a. als „Propaganda“ bezeichnet, fällt jedoch provozierend verkürzt aus. Die Forderung nach Rechten und Anerkennung von Prostituierten als unpolitisch und mit Sexismuskritik nicht vereinbar zu charakterisieren, ist wenig überzeugend. Schließlich ist festzustellen, dass Prostituierte bei Kienesberger selbst nicht zu Wort kommen, da sie sich methodisch auf eine Textanalyse beschränkt. So bleiben die, über die gesprochen wird, erneut ohne Stimme. Anja Gurtner

Anita Kienesberger: Fucking Poor. Was hat „Sexarbeit“ mit Arbeit zu tun? Eine Begriffsverschiebung und die Auswirkungen auf den Prostitutionsdiskurs. 116 Seiten, Marta Press, Hamburg 2014  EUR 13,50