Smash partriarchy – und was kommt dann?

Anthropozän das war einmal, es ist sind die männlichen Funktionäre des Phallozäns, die die Menschen beherrschen und den Planeten zerstören. Und das so unverblümt und schamlos, dass der Bechdel-Wallace-Test das Unbehagen darüber längst nur noch verstärken kann. Gertraud Klemm führt umfassend alle Bereiche des menschlichen Lebens aus, in denen sich die AlleinHERRschaften so felsenfest verankert haben, dass sie als unveränderlicher Urzustand erscheinen. In Politik, Wissenschaft, Medien und Religion werden Frauen – damals wie heute – entweder ausgeblendet oder verachtet. Dabei zeigt ein Blick auf das Weltgeschehen nicht nur ausschließlich von Männern angezettelte Kriege und Umweltvernichtung, sondern auch die zweifelhafte Zurechnungsfähigkeit so mancher Befehlshaber. Das hat fatale Konsequenzen für alle, die nicht männlich und nicht weiß sind, womit sich der erste Teil des Buches befasst. Im Bewusstsein, dass die Informationen darüber nicht neu sind, fragt Gertraud Klemm zurecht: Hat uns der neoliberale Individualismus so fest im Griff, dass ‚Social-Media-Aktivismus‘mit seinem zerstörerischen Beharren auf politischen Unterschiede an die Stelle der gemeinsamen Empörung getreten ist? Also widmet sie sich im zweiten Teil konkreten Optionen der Veränderung. Dabei nimmt sie jene an politischen und gesellschaftsrelevanten Hebeln ebenso in die Pflicht wie uns alle. Unermüdlich fordert sie dazu auf, endlich danach zu handeln, was Frauen, MigrantInnen, People of Color und andere marginalisierte Gruppen schon lange sagen: Soziale Gerechtigkeit und Demokratie braucht Gremien, die so divers sind wie die Gesellschaft. Hin zur Kollektivierung entzaubern matriarchale Lebensweisen das Ideal der Kleinfamilie und zeigen auf, wohin der durch das Buch entfachte Impuls gelenkt werden kann.
Claudia Bergermayer
Gertraud Klemm: Abschied vom Phallozän oder: Wann sprechen wir endlich vom Matriarchat? Streitschrift. 142 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2025 EUR 20,50