Steinige Wege zur Gleichberechtigung

Die preußischen Universitäten sind um 1900 alles andere als gleichberechtigt: Frauen können weder als ordentliche Studentinnen sämtliche Vorlesungen besuchen, noch Professorinnen werden. Drei junge Frauen, die sich trotz aller Unterschiede in ihrem Wissensdrang und ihrer Neugierde ähneln, verändern nachhaltig die berühmte Friedrich-Wilhelm Universität: Lise Meitner, die heutzutage bekannte Physikerin, musste sich um die Jahrhundertwende ihren Platz als Forscherin inmitten einer Männergesellschaft erkämpfen. Hedwig, die unglücklich verheiratete Tochter eines Fabrikanten, schafft es hinter dem Rücken ihres Mannes, ein Studium zu beginnen. Und Anni, ein junges, mittelloses Mädchen, welches nur wenige Jahre die Schule besucht hat, entwickelt eine Liebe zur Literatur. Ann-Sophie Kaiser hat mit „Unter den Linden 6“ eine wunderschöne Geschichte geschrieben, welche die langsame Entwicklung der Gleichberechtigung an Universitäten und allgemein im Bildungssystem im Zeitraum von 1900 bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges zeigt. Anhand der drei jungen Frauen werden die unterschiedlichen Wege nachvollzogen, die sich jedoch in ihrem größten Wunsch gleichen: Lernen und Forschen zu dürfen, wie es Männer in dieser Zeit ohne Probleme können.

Luzia Neufang

Ann-Sophie Kaiser: Unter den Linden 6. 464 Seiten, Ullstein, Berlin 2020 EUR 15,50