verdichtete begegnungen
Erstaunlich dicht sind die 15 Geschichten mitten aus dem Leben, und mitten ins Leben hinein, das gebrochen ist und wird und sich doch immer wieder neu zusammensetzt. Man möchte die brillant aus dem Ungarischen übersetzten Zeilen dehnen, um vom Davor und Danach der kantigen Figuren und ihrer Wege ein wenig mehr zu erheischen als den Moment, dem sich jede Erzählung wie im schnellen Vorlauf verdichtend widmet. Man möchte das Lesetempo drosseln, das sich vom faszinierend komponierten Sog der Worte immer wieder von selbst beschleunigt. Vor allem Schwestern, Töchter und Mütter, sind es, an deren Schicksalen und Geschicken uns die Autorin ein Blitzlicht lang teilhaben lässt. Es sind wiederkommende, sich verabschiedende, heutige und gestrige Frauen, zumeist in Ungarn. Und nach jeder Geschichte öffnet sich ein neues Fenster in ein Morgen derer, die wir lesend begleiten, um uns, nach dem Lesen, doch wieder zu entgleiten. Jede Geschichte stellt uns vor ein Rätsel, und jede ist in Inhalt, Form und Sprache zugleich rätselhaft schön. Was Alice Munro für Nordamerika ist, ist Szófia Bán für Europa. Osteuropäische und insbesondere mit Ungarn vertraute LeserInnen sind zu beneiden um die so viel mehr Zwischentöne, die für sie in diesem Buch hörbar sein werden. Claudia Brunner
Zsófia Bán: Als nur die Tiere lebten. Kurzgeschichten. Übersetzt von Terézia Mora. 207 Seiten, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2014 EUR 23,60