Wandern zwischen zwei Welten
Die Kindheit von Anton Winter ist von Freiheit, Üppigkeit und lustvollem Zusammenleben in einer Kolonie gemeinsam mit vielen Familien und einem großen Garten geprägt. Der Kreislauf und die Ordnung der Natur, der Lebenszyklus von Geburt bis zum Tod faszinieren ihn sehr bald und er entwickelt „…ein genaues Auge auf die Welt, die ihn umgab…“. Das Erkennen und Wissen um den Lauf des Lebens gibt ihm eine tiefe innere Sicherheit. Nach dem Tod der Großmutter verlässt Anton den Garten und lebt als Vogelzüchter und Einzelgänger in einer Stadt mit Weltuntergangsstimmung. Sein Leben ist karg und ohne Kontakte nach außen. Er begegnet einer Frau, die beiden lieben sich sprachlos, finden in diesem Kokon aber ihre Sprache wieder und gehen zurück an seinen Erinnerungsort Kindheit. „So wurde für Anton wahr, dass die Heimat der Ausgangs- und Endpunkt jeder Reise sein muss.“
Die poetische und märchenhafte, metaphernreiche Sprache lässt eine beim Lesen nicht mehr los, der Wechsel von Idylle zum apokalyptischen Chaos hin zur leisen Hoffnung gelingt der Autorin meisterhaft. Valerie Fritschs eindrucksvolle Stimmungsbilder lassen die Fotokünstlerin in ihr erahnen. Das Lesen ist wie ein nachdenklicher Gang durch eine Ausstellung, begleitet von und verbunden durch Sprache. Ein Buch zum Eintauchen in Erstaunliches! Ulrike Retschitzegger
Valerie Fritsch: Winters Garten. Roman. 154 Seiten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2015 EUR 17,50