Was man erzählt, was man verschweigt
Erinnerung spielt in Ulrike Schmitzers literarischem Schaffen oft eine zentrale Rolle. Bereits in ihrem 2011 erschienen Roman „Die falsche Witwe“ beschäftigte sie sich mit dem Nachkriegszeit-Schweigen und den verdrängten Erinnerungen einer Familie. In ihrem nun erschienenen Roman „Die gestohlene Erinnerung“ versucht sie ihre eigene Familiengeschichte aufzuschreiben und begibt sich auf eine Reise in ein Land, das es so nur mehr in Erzählungen gibt. Die Geschichte handelt von einer Frau, die gemeinsam mit ihrer Mutter in die ehemaligen Siedlungsgebiete der Donauschwaben nach Nordserbien aufbricht, um dort nach Spuren ihrer Familiengeschichte zu suchen. Für den Versuch, ihren Kopf mit den Erinnerungen der anderen zu füllen, spricht die Enkelin vor der Reise mit ihrer Großmutter über den Alltag in ihrer Heimat, den 2. Weltkrieg sowie über die Deportation in ein sowjetisches Arbeitslager und nimmt das Gespräch auf Kassette auf. Während der Reise hören sich Mutter und Tochter die Erzählungen im Auto an und nach anfänglichem Zögern beginnt auch die Mutter über den Krieg, die Flucht sowie das Wiedersehen zu sprechen. Sprachlich klar und ausgeschmückt mit donauschwäbischen Worten dokumentiert Schmitzer sehr intim die Erinnerungsspuren dreier Frauen-Generationen an den zweiten Weltkrieg. Gemeinsam mit dem_der Leser_in taucht sie in ein Stück Familiengeschichte ein, das mit Landschaftsskizzen, eingescannten Tagebuchseiten und einem Stammbaum persönlicher fast nicht sein kann. Sabrina Wegerer
Ulrike Schmitzer: Die gestohlene Erinnerung. Roman. 192 Seiten, Edition Atelier, Wien 2015
EUR 19,95