Zwischen den Stühlen

Die Politikwissenschaftlerin Maike Weißpflug beweist mit ihrer Forschungsarbeit, dass Hannah Arendts Werk an Aktualität nicht verloren hat. Arendts vielseitiger Denkstil und ihre Urteilskraft lassen sich auch auf heutige Demokratiedefizite als Werkzeug anwenden, um uns zum Handeln als Subjekt zu ermutigen und zu bewegen. So gesehen ist es eine Einladung zur kritischen Auseinandersetzung mit Politik, um eine eigenständige Haltung zu entwickeln.
Zunächst legt die Autorin anhand der Figur des Parias dar, dass emanzipatorisches Denken gegenüber Ideologien von wesentlicher Bedeutung ist. Es braucht die Streitbarkeit, das Gegen-den-Strich-Bürsten, um in der durch Krisen geschüttelten Moderne dem zwangsweise verabreichten Konformismus etwas entgegenzusetzen. Weißpflug beweist anhand der Analyse von ausgewählten literarischen Untersuchungen Arendts (Kafka, Melville Homer, Brecht . . .), dass das Erzählen und gleichermaßen die Erfahrung wesentlich sind, um in der Akzeptanz von Pluralität diese als Qualitätsmerkmal der Gleichheit zu verstehen. Im letzten Teil konstatiert Weißpflug, dass zwar das Wissen über den Klimawandel vorhanden ist, die Bedeutung seiner katastrophalen Auswirkungen aber nicht erkannt wird. Es geht auch um die Wirksamkeit der persönlichen Einmischung und darum, sich nicht fatalistisch für ohnmächtig zu erklären. Es bräuchte dazu nicht nur eine Neuorientierung der Wissenschaften, sondern eine kollektive Wahrnehmung des Anthropozäns, die mehrperspektivisch ist und offen für eine fundamentale Veränderung der Verhältnisse. Spannend!
ML
Maike Weißpflug: Hannah Arendt – Die Kunst politisch zu denken. 320 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2019 EUR 25,00