1848 als Revolution bürgerlicher Männer?

Gabriella Hauch stellt im 212. Band der Wiener Vorlesungen die Akteur*innengruppen der Revolutionsmonate 1848 vor. Dabei hebt sie die divergierenden Ziele, Widersprüche und Gleichzeitigkeiten innerhalb und zwischen den Gruppen hervor. Hauchs Analyse zeichnet sich durch eine geschlechtersensible Perspektive aus, ist aber nicht auf diese beschränkt und inkludiert auch Differenzkategorien wie Nationalität, soziale Klasse oder Religion. So weist die Autorin etwa auf die europaweit einzigartige Beteiligung von Jüd*innen am Wiener Revolutionsgeschehen hin, führt den Leser*innen aber gleichzeitig vor Augen, dass die postrevolutionäre Pressefreiheit einen Nährboden für die Verbreitung von antijüdischen Stereotypen schaffte und zur Entwicklung des ‚modernen’ Antisemitismus beitrug. Anschaulich beschriebene Ereignisse wie der Aufstand gegen den ‚Naschmarktkönig’, die Beteiligung von Frauen unterschiedlicher sozialer Schichten am Barrikadenbau und insbesondere der Erdarbeiter*innen-Streik zeigen die Bedeutung von Geschlecht in der Revolution auf. Auf kompakten 64 Seiten schafft es Gabriella Hauch, die zentralen revolutionären Gruppen vorzustellen und durch die Bezugnahme auf stattgehabte Ereignisse lebendig werden zu lassen. Der historische Kontext und Fachbegriffe wie Pauperismus werden knapp, aber leicht verständlich erklärt. Als Expertin für die Erste Frauenbewegung und die Wiener Revolution konnte Gabriella Hauch sich in dieser Publikation auf viele ihrer vorangegangen Werke stützen und bezog neben verschiedener Sekundärliteratur auch einige Primärquellen in ihre Darstellung ein. Insgesamt macht die kurze Einführung neugierig, einzelnen Ereignissen oder Akteur*innen näher nachzuspüren.

VR

Gabriella Hauch: Wir hätten so gern die ganze Welt beglückt. Die Wiener Revolution 1848. 64 Seiten, Picus Verlag, Wien 2024 EUR 12,00