5 Freund_innen im 21. Jahrhundert
Sie nennen sich ALLE FÜNF, kennen sich aus der Schule, sind 17 Jahre alt, treffen sich auf den Stufen vor der Eisdiele, die im Winter eine Pizzeria ist, und heißen Tony, Minh, Ayou, Reza und Hannes. Sie erfreuen sich teils erster sexueller Experimente, des eigenen Hundes, fiktiver Kurzbiografien oder billiger Pizza. Lilly Axster lässt die fünf Freund_innen aus ihren jeweiligen Perspektiven sprechen, bleibt ganz nah dran an jugendlicher Wortwahl, Unsicherheiten, Begeisterungen und Widersprüchlichkeiten. Dann passiert etwas. Oder nein, es passiert die ganze Zeit etwas. Was Reza gesehen hat, verstört und verwirrt ihn, es fühlt sich gar nicht gut an und er schwankt, was er damit tun soll – oder vielmehr kann. Doch konfuse Aktionen rufen noch mehr Konfusion hervor, was und wie jetzt.Lilly Axster hat bereits mehrere großartige Romane vorgelegt und schafft es erneut mit Verve, jeweils relevant werdende Unterschiede zwischen den Jugendlichen zu benennen ohne dabei diskriminierende oder essenzialisierende Kategorien zu re-/produzieren. Thematisch bringt sie diesmal auch ihre umfangreiche Expertise aus der Beratung bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen ein. Hadern, Zwei-fel, Wut, Angst, Schuldgefühle, scheiternde Versuche sich mitzuteilen – mit diesem Text wird sehr gut nachvollziehbar, wie diese Gewaltform Kinder, Jugendliche und Erwachsene erschüttert, wie sie in die Beziehungen fährt und wie Manipulationen greifen. ALLE FÜNF sind ziemlich cool, sie trauen sich was – das liest sich höchst spannend und von nuancierter, rhythmischer Sprache getragen. Wunderbar!
Meike Lauggas
Lilly Axster: Die Stadt war nie wach. 167 Seiten, Zaglossus, Wien 2017 EUR 14,95