Es gibt keinen sicheren Ort. Nirgends.
„Sie fand es verstörend, wie sich eine Lebensgeschichte, die sich in vielen intensiven Gesprächen wie ein Mosaik allmählich zusammenzusetzen begann, in der Sprache der Bürokratie auf eine ‚Foltergeschichte‘ reduzieren ließ.“
Ein Tag im Leben von Nora wird protokollartig skizziert. Nach mehreren Jahren in Russland kehrt Nora in ihr Heimatland zurück und arbeitet als Russischdolmetscherin in einem Psychotherapiezentrum für traumatisierte Flüchtlinge. Die Dolmetscherin im Hintergrund versucht eine Sprache dafür zu finden, was die Flüchtlinge in ihren therapeutischen Gesprächen ausdrücken wollen. Daneben übersetzt sie die Foltergeschichten, von denen der Verein, in dem Nora tätig ist, eine bestimmte Anzahl pro Jahr an die UNO schicken muss, um Subventionen zu erhalten. Für Nora wird es immer schwerer, sich von den Erzählungen der Flüchtlinge und den Folgen ihrer Flucht zu distanzieren. Die Menschen, für die Nora in der Therapie zum Sprachrohr wird, leiden unter Schlaflosigkeit, Ängsten und großen Sorgen. Das Suchen nach den richtigen Worten ist nicht einfach. Und dann gibt es noch die Erinnerungen an das Leben in Russland und die Menschen, mit denen Nora in Beziehung stand.
Maria Schernthaner
Mascha Dabic: Reibungsverluste. 151 Seiten, Edition Atelier, Wien 2017 EUR 18,00