Beeindruckende erdrückende Banalitäten
In der namenlosen österreichischen Stadt spielt der Roman von Anna Weidenholzer und gibt Einblicke in gewöhnliche alltägliche Begegnungen von durchschnittlichen Menschen, die auch in deiner Nachbarschaft leben könnten. Im Zentrum steht das Paar Elisabeth und Peter, um deren Leben sich die Geschichten wickeln, die aus der Perspektive von Elisabeth erzählt werden, als sie in einer schlaflosen Nacht die gemeinsamen Erlebnisse mit Peter reflektiert. Innerhalb dieses Erzählstrangs wird die Leserin nach und nach in ein Labyrinth von Erzählungen hineingezogen, und anfangs ist es undurchschaubar, wohin die Geschichten der Geschichte führen sollen. Detailreich werden die Charaktere der anderen Bewohner*innen des Mehrparteienhauses ausgearbeitet. Die Autorin beschreibt banale Situationen akribisch und so gelingt es, das normal erscheinende Unwesentliche auf eine subtile spektakuläre Ebene zu heben. Dennoch oder gerade deshalb fühlt sich die Atmosphäre beklemmend, erdrückend und bedrohlich an und erinnert an vergangene und gegenwärtige österreichische politische Zustände. Die anfängliche Leichtigkeit geht am Ende des Buches verloren und spitzt sich zu, als Peter, der Journalist ist, zu politischen Themen wie Überwachung und Kopftuchverbot Stellung bezieht. Weidenholzer, die im Jahr 2013 den Reinhard-Priessnitz Preis erhalten hat, gelingt mit diesem Nicht-Wohlfühlroman eine Sozialstudie der ganz besonderen Art – der Blick hinter die Vorhänge der Nachbarinnen kann befremdliche tiefschwarze Einstellungen zu Tage bringen, die immer mehr zur österreichischen Normalität gehören.
Ines Schnell
Anna Weidenholzer: Finde einem Schwan ein Boot. 212 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2019 EUR 20,60