Zwischen Feminismus und Klischee
In Walls neuem Roman trifft die traditionelle Liebesgeschichte auf moderne Wendungen. Die Autorin erzählt eine Geschichte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Südwestafrika spielt, als dieses noch eine deutsche Kolonie war. Ihr Roman beginnt dort, wo die Ehe der Protagonistin endet: Henrike flieht vor ihrem Partner. Walls greift ein Thema auf, das heute aktueller ist, denn je: häusliche Gewalt. Eine Reihe weiterer wichtiger Auseinandersetzungen denkt die Autorin an. Das Recht der Frau steht genauso im Mittelpunkt wie ihre Emanzipation, Beziehungen werden durch eine Brille betrachtet, die auf heteronormative Vorstellungen verzichtet. Die Protagonistin findet sich in einer gleichgeschlechtlichen Romanze wieder und erlebt Stalking durch ihren Ehemann. Die Autorin spannt damit einen Bogen zwischen Geschichtlichkeit und Moderne, fällt jedoch hier und da über Stolpersteine, die intersektionalen Feminist:innen des 21. Jahrhunderts sauer aufstoßen könnten: Die Protagonistin stößt an ihre emotionalen Grenzen. Sie entpuppt sich als eine als schwach konnotierte Frau. Sie fällt in Ohnmacht, wird von männlicher Hand gerettet. Mitten in der Diamantenküste sind sämtliche Protagonist:innen weiß. Menschen, die bereits vor der Kolonialisierung in Südwestafrika zuhause waren, spielen nur Nebenrollen. Das lässt den Wunsch nach kritischer, postkolonialistischer Reflexion offen. Wall integriert Feminismus in koloniale Vergangenheiten. Ihr Roman ist für Abende, an denen frau einfach mal den Kopf ausschalten möchte.
Jana Reininger
Anne Wall: Diamantenküste. 236 Seiten, édition el!es, Inning am Ammersee 2021 EUR 15,90