Selbstheilung
„Oh, ein Mädchen mit Vergangenheit!“ bemerkt ein Bursch auf einem Unifest, als Nada ihre Strickjacke ausgezogen hat und die Narben ihrer Selbstverstümmelungen zu sehen sind. Nada, Tochter eines Palästinensers und einer Ägypterin, in Wien geboren und aufgewachsen, kämpft jahrelang gegen die traditionellen muslimisch-arabischen Moralvorstellungen ihrer Eltern an. Ohne viel Erfolg. Statt weiter, wie bei ihren nicht muslimischen Freundinnen, wird ihre Welt immer enger, je älter sie wird. Eine Therapie ist erfolglos, eine extreme Selbstverstümmelung durch Aufschneiden der Adern beginnt mit dem Aufschrei ihrer Mutter „Geh verdammt noch mal runter vom Teppich! Das Blut bekommt man nicht mehr raus!“ und endet im Desinteresse der Ärzte. Die Erkenntnis, dass ihr letztendlich niemand helfen wird, weil nur sie sich selbst helfen und heilen kann, ist der Wendepunkt in ihrem Leben. Wie sie es allen und allem zum Trotz schafft, dass ihre Eltern einen Freund akzeptieren, sie auszieht, einen nicht muslimischen Mann heiratet, wird meiner Meinung nach nicht behandelt. Und von ihren Geschwistern hätte ich auch gern ein bisschen mehr erfahren. Das Leben zwischen allen Stühlen wird eindringlich geschildert und dass letztlich eine Art Versöhnung zustande kommt, stimmt frau froh.
Renate Charvat
Nada Checkh: Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich die Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand. 224 Seiten, Haymon Verlag, Innsbruck 2023 EUR 17,90