Hat es niemand kommen sehen?
Der Klappentext kündigt einen spannenden Krimi an. Geballt geht es auf den ersten paar Seiten los mit Care-Arbeit, Sex-Fantasien, Lesbisch-, Trans-, Divers-Sein, Ufos, Ukrainekrieg beziehungsweise daraus Geflüchteten, dazwischen Schönbrunn, weiter zu Tinder. Eingestreut zwischen Orlando Bloom oder Cara Delevigne wird auch noch der Missbrauch von Kleinkindern angeprangert… Sehr viele brisante, aktuelle Themen, sehr engagiert, aber gar so dicht? All das wird dann auf einige Parallelhandlungen verteilt, gewürzt mit viel Lokalkolorit: Maria, die nach einem Jahr plötzlich wieder in ihrem Herkunftsdorf im Waldviertel auftaucht, allerdings ohne Gedächtnis (behauptet sie), der Wiener Journalist Lando, der unter anderem Marias Geschichte im touristisch überrannten Schigebiet recherchiert, in Salzburg wiederum versucht das Landeskriminalamt, den Mord an einer Pensionswirtin aufzuklären, in Wien wachsen derweil die „Wir sind Maria“-Protestkundgebungen für die „Ikone unbedankt sorgender und ausgenutzter Frauen“ (S. 211). Gudrun Lerchbaum schließt mit diesem Buch an den Vorgänger Zwischen euch verschwinden (2023) an, der diese Geschichte/n auf andere der vielen möglichen Arten erzählt hat. Manche Erzählungsstränge scheinen wie im ‚echten‘ Leben auszufasern, wer Opfer ist, wer Täterin oder Täter, bleibt lange unklar, teils bis zuletzt. Ob es im Nachfolgeband stehen wird?
prosa
Gudrun Lerchbaum: Niemand hat es kommen sehen. 284 Seiten, Haymon Verlag, Innsbruck/Wien 2025 EUR 17,90