Wenig Rettung
Die japanische Autorin Rin Usami beschreibt in ihrem zweiten Roman die verstörenden Familienverhältnisse einer depressiven jungen Frau. Kanko kann sich nur an eine Umarmung ihrer Eltern erinnern. Ihre Mutter hat nach einem Schlaganfall eine Wesensveränderung erfahren, wodurch sie launisch und alkoholabhängig geworden ist. Der Vater ist jähzornig und in Konfliktsituationen unberechenbar, entwertend und körperlich gewaltsam. Ihre beiden Brüder haben bereits andere Wege gefunden, um dem familiären Drama zu entkommen und wohnen nicht mehr zu Hause. Kanko besucht nur unregelmäßig die Schule und fühlt sich einsam. Sie erkennt die aufreibenden, sich wiederholenden familiären Muster, ist aber außerstande, diese zu durchbrechen. Als ihre Großmutter väterlicherseits stirbt, fährt Kanko mit ihren Eltern zum Begräbnis, wo sich auch ihre beiden Brüder einfinden. Ihr Vater hatte bereits seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter, weil er sie für den frühen Tod seines Vaters verantwortlich gemacht hat. Die Reise markiert die Trostlosigkeit und Verständnislosigkeit innerhalb der familiären Beziehungen und bestätigt die Schwierigkeiten eines Veränderungsprozesses. Ein Roman, der sich mit dem Thema häusliche Gewalt und Ängsten beschäftigt und deutlich macht, dass familiäre Gewalt über Generationen weitergegebene Ursachen hat. Es ist schwierig aus der jeweiligen Spirale auszubrechen. Am Ende gibt es zumindest für Kanko einen Hoffnungsschimmer!
ML
Rin Usami: Kankos Reise. Aus dem Japan. von Luise Steggewentz. 176 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2025 EUR 25,50