Vom Überleben und Leben
„Haben wir kein Salz“, fragt Johannes beim Abendessen. Seine Frau Helene sitzt nach einem Tag voll mit dem „Rufen, Wollen, Streiten, Bitten und Brüllen“ der drei Kinder erschöpft am Tisch. Ohne ein Wort zu sagen, steht Helene vom Tisch auf, geht zum Balkon und stürzt sich in die Tiefe. Ihr plötzlicher Tod versetzt die Familie in eine Schockstarre. Die 14-jährige Lola reagiert mit Selbstverletzung auf den Verlust der Mutter, der Vater mit Ratlosigkeit und die beiden jüngsten Kinder mit Ängsten und Albträumen. Und da ist dann noch Sarah, die beste Freundin Helenes, eine erfolgreiche, kinderlose Krimiautorin. Sie bietet der Familie Unterstützung an und die wird auch bereitwillig angenommen. Immer häufiger übernachtet Sarah in der Wohnung der toten Freundin und kümmert sich um deren Kinder und den unfähigen Witwer. Allmählich verändert sich Sarahs Blick auf die Freundin. Während Helene zu Lebzeiten über die zahlreichen Herausforderungen ihres Alltags hinweggewitzelt hatte, sieht Sarah nun, wie hart und aufzehrend deren Leben tatsächlich war. Gefangen zwischen Pflicht und Liebe hatte Helene – obwohl eine moderne Frau – ein traditionelles Rollenbild gelebt, das ihr letztendlich zum Verhängnis wurde. Während Sarah trotzdem nach verharmlosenden Erklärungen dafür sucht, schlägt Lola einen radikaleren Weg ein. Sie will nicht das bedauernswerte Mädchen ohne Mutter sein, sie will Rache.
Ute Fuith
Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt. 384 Seiten, Rowohlt, Hamburg 2022 EUR 22,70