Autofrei oder ist das die Zukunft?
Schalentiere am Waldboden ist ein Debütroman, der schnell Lust auf mehr macht. Die Autorin erzählt in fantasievollen, bunten Bildern vom Leben in einem zum klima-neutralen Musterdorf auserkorenen Ort. Diese scheinbare ländliche Idylle und das Begehren nach einer perfekten Welt zerplatzen beim Lesen so schnell wie der Traum der Zugezogenen vom einfachen, sinnvollen Leben auf dem Land. Die Erzählerin, Marillchen genannt, beschreibt aus kindlicher Ich-Perspektive ungewöhnlich kreativ ihre Realität, ihr Aufwachsen im Dorf mit dem Verzicht für das Allgemeinwohl und dem Beobachten der schleichenden Veränderungen, auf die sie keinen Einfluss hat. Ihre Eltern, anfangs noch sichtbar misstrauisch, nehmen zwei unterschiedliche Wege, um mit der von außen aufgezwungenen Idylle umzugehen: Das Sich-Verlieren des Vaters in einer Führungsrolle und in den Aufgaben im Rahmen des Musterdorfprojektes steht dem Sich-Zurückziehen der Mutter gegenüber. Das Leben im Dorf ist eng und wird es immer mehr. Selina Holešinsky vermag es, dass sich das Herz beim Lesen zusammenzieht und es schwerfällt, das Buch abends im Bett wegzulegen. Es ist Literatur für alle, die heimlich von einem idyllischen Leben träumen und auch für alle anderen. Auch ist es eine Warnung und der Blick hinter die Fassade eines Traumes, bei dem die Bewohner*innen nicht gefragt werden, wie idyllisch sie eigentlich leben möchten.
Flora
Selina Holešinsky: Schalentiere am Waldboden. 184 Seiten Picus. Wien 2024 EUR 23,00