Biografische Herausforderungen
Die Publikation geht auf eine Vortragsreihe der Universität Potsdam zurück und versammelt Werkstattgespräche mit Biograf*innen über Herausforderungen ihres Forschens und Schreibens über Hinterlassenschaften von Jüd*innen bzw. Menschen jüdischer Herkunft. Heute ist biografisches Schreiben angesiedelt zwischen Wissenschaft und Literatur, Sachbuch und Belletristik. „Ein wesentliches Charakteristikum der Biografie als Forschungsmethode und Darstellungsweise ist ihr interdisziplinärer Charakter“, so die Herausgeberinnen Grażyna Jurewicz und Marie Schröder. Dies zeigen die Beiträge aus verschiedenen Disziplinen, wie der Geschichts- und Literaturwissenschaft, Judaistik, Kulturwissenschaft und Musikwissenschaft. Beatrix Borchard, die sich mit Fragen des Umgangs mit biografischen Quellen auseinandersetzt, stellt fest: Lebensbeschreibungen – zwischen zwei Buchdeckeln – von Musiker*innen haben immer eine Leerstelle, nämlich die Musik, die sie/er komponiert hat. Katharina Prager verweist in ihrem Beitrag über (jüdisches) Leben der (Wiener) Moderne darauf, dass jeder Mensch sein eigener Biograf sei, indem er Spuren legt oder verwischt, Material bewahrt oder vernichtet hat. „Biographien spielen in der Zeit und Gesellschaft ihrer Entstehung, nicht in der Zeit der Biographierten.“ Sie schließt ihren Beitrag mit der Involviertheit der Autor*innen: „Jede Biographie ist auch eine Autobiographie.“ Ein sehr interessantes Buch und hoffentlich inspirierend für viele zukünftige Biograf*innen.
Petra M. Springer
Jüdische Leben erzählen. Jüdische Kulturgeschichte in der Moderne, Bd. 30. Hg. von Grażyna Jurewicz und Marie Schröder. 298 Seiten, Neofelis, Berlin 2023 EUR 24,00