NS-Erinnerung in der Neuen Frauenbewegung
Sina Speits Monografie analysiert erinnerungskulturelle Aus-einandersetzungen der „Neuen Frauenbewegung“ in Deutschland zwischen 1968 und 1994. Anhand von Quellen wie feministischen Zeitschriften, Broschüren, Filmen und wissenschaftlichen Publikationen aus der historischen Frauenforschung untersucht Speit, wie Fragen nach NS-Täter*innenschaft, Widerstand und Opferperspektiven verhandelt wurden. Bereits im Umfeld der 68er-Bewegung hatten Feminist*innen begonnen, ihre Familiengeschichten kritisch zu hinterfragen und sich selbst im historischen Gefüge zu verorten. Während zunächst die historische Einordnung des NS-Staates als vorwiegend patriarchales System dominierte, rückte nach konfliktvollen Auseinandersetzungen auch die Frage nach weiblicher Täter*innenschaft ins Zentrum. Zudem fanden nach und nach die Stimmen von Jüd*innen, Schwarzen Feminist*innen oder Rom*nja und Sinti*zze stärker Gehör, die innerhalb der Neuen Frauenbewegung lange marginalisiert worden waren. Besonders interessant fand ich, wie die Autorin nachvollziehbar macht, wie zentral die Erinnerung an den Nationalsozialismus mit zeitgenössischen Debatten über Geschlechtergerechtigkeit oder politischen Widerstand verknüpft war – im Sinne eines „Gedächtnisaktivismus“. Teilweise hätte ich mir jedoch eine stärkere Kontextualisierung der Quellen gewünscht – mitunter blieb unklar, wie repräsentativ einzelne Beiträge für die feministische Auseinandersetzung tatsächlich waren. Insgesamt bietet das Buch einen ersten Einblick in die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte innerhalb der Frauenbewegung – eher stichprobenartig als systematisch, aber mit klarer Relevanz für eine feministische Geschichtsschreibung.
Toni
Sina Speit: Die Neue Frauenbewegung und der Nationalsozialismus. Feministische Erinnerungskultur zwischen 1968 und 1994. 470 Seiten, transcript Verlag, Bielefeld 2024 EUR 59,70