Welches Massaker?
Lara Haworths Debütroman Das Abschiedsmahl spielt in Belgrad, wo Olga Pavić die Nachricht erhält, dass ihr Wohnhaus beschlagnahmt werden soll, um dort eine Gedenkstätte zu errichten. Es soll an das Massaker erinnert werden – nur welches Massaker das sein soll, weiß niemand so genau. Olga beschließt, ihre nicht mehr in Serbien lebenden Kinder zu einem Abschiedsmahl zurückzuholen, damit sich alle noch einmal so richtig von ihrem Zuhause verabschieden können. Dass dabei mehr als nur alte Erinnerungen hochkommen, ist unvermeidbar. In diesem schmalen Büchlein steht mehr als in vielen dicken Romanen. Haworth schafft es, ohne viele Worte auf die vielen Widersprüche, Herausforderungen und Pointen des Lebens einzugehen. Die Vielschichtigkeit, die einem gesellschaftlichen Erinnern in einem Land wie Serbien innewohnt, wird anhand der Absurdität der Denkmalvorschläge eindrücklich nachgezeichnet. Besonders die Beschreibung ihrer Figuren gelingt ihr hervorragend. Mithilfe von Passagen des magischen Realismus bricht Haworth die Grenze zwischen Realität und Traum auf, was dem Buch eine weitere Ebene gibt. Das Ende, bei dem jedoch nicht klar ist, ob es wirklich so passiert ist, kommt ein wenig kitschig – wie das aber manchmal so ist bei einem Traum.
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Lara Haworth: Das Abschiedsmahl. Aus dem Engl. von Stefanie Ochel, 139 Seiten, Kjona, München 2025 EUR 23,70
