Kämpfe um gemeinschaftliche Freiräume

Stadtgeschichte bedeutet auch, sich mit Hausbesetzungen, die auf politische und soziale Probleme hinweisen, zu beschäftigen. Laut der Autorin Tanja Tschöke, die eine Vielzahl von Hausbesetzungen in Hannover in den letzten 50 Jahren dokumentiert hat, gab es für Besetzungen drei Hauptmotive. Zum einen die Heimkinderbewegung, die durch Besetzungen auf Missstände in staatlichen Heimen aufmerksam machte. Ein weiterer Strang des Häuserkampfes bestand aus Jugendlichen, die für selbstverwaltete Kultur- und Jugendzentren kämpfte. Das dritte Motiv dürfte für junge Leute darin bestanden haben, leistbaren Wohnraum zu bekommen und der Immobilienspekulation etwas entgegenzusetzen. Mittels historischer Dokumente des Historischen Museums Hannovers, Gesprächen mit einem damals sehr engagierten Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Erfahrungsberichten vormaliger Besetzer*innen stieß die Autorin auf zahlreiche Hausbesetzungen bis hin zur Wagenplatzbewegung, die sich ab den 1990iger Jahren entwickelte. Viele der besetzten Häuser wurden bereits wenige Wochen danach mit staatlicher Repression geräumt. Einige Projekte konnten sich über einen längeren Zeitraum durchsetzen. Tschöke rekonstruiert die Bewegung um den Häuserkampf, indem sie die historischen Bedingungen rekonstruiert. Deutlich wird, dass historisch die Stadtregierung eine andere Zielsetzung hatte, als nur einer neoliberalen Verwertungslogik zu folgen, die heute an der Tagesordnung ist. Das damalige politische linke Bewusstsein der Besetzer*innen wiederum war stark durch die Studierendenbewegung geprägt. Fotos unterstreichen die kämpferischen linken Inhalte der Bewegung. Parolen auf den Transparenten weisen auf eine lustbetonte Szene hin. Schade, dass heute der Klassenkampf sich von oben bei der Raumplanung durchsetzt.
ML
Tanja Tschöke: Das Haus gehört uns Allen. 371 Seiten, edition assamblage, Münster 2025 EUR 29,00