Alles Fake!
New York 2017, kurz vor der Vereidigung Donald Trumps: eine junge Frau, die Protagonistin und Ich-Erzählerin des Buches, spioniert im Handy ihres Freundes und findet heraus, dass dieser ein Doppelleben im Internet führt. Während er ihr gegenüber vorgibt, ein edgy, eher linker Kunsttyp zu sein, spinnt er im Netz Verschwörungserzählungen. Sie möchte sich von ihm trennen, genießt aber zunächst ihre geheime Wissens-Überlegenheit und denkt noch darüber nach, wie sie am geschicktesten mit ihm Schluss machen kann. Doch bevor es dazu kommt, ereilt sie die Nachricht vom Tod ihres Noch-Freundes. Nach diesem Schock zieht sie nach Berlin, wo sich die beiden einst kennenlernten. Dort beginnt sie zu daten und nimmt dafür immer neue, von ihr kreierte Figuren an – baut sich also ihre eigenen ‚Fake Accounts‘ auf… nüchtern, cool und manchmal auch witzig lässt Oyler die Ich-Erzählerin sprechen. Immer mal wieder wendet sich diese an die Leser:in oder wird von einer nicht weiter erörterten Gruppe von Ex-Freunden kommentiert. Die kühle Art des Erzählens schafft eine Distanz zur Protagonistin und reflektiert damit den Ton auf Social Media. Die pointierte, überhebliche Trockenheit ist teilweise anstrengend, insbesondere dann, wenn sonst nicht viel Handlung passiert. Sie verträgt sich aber gut mit den inhaltlichen Fragen nach Identität, Nähe und Distanz, Authentizität und der Lust an Täuschung, die dieses Buch verhandelt. Insgesamt eine gute Aufnahme einer von Digitalität geprägten Realität.
Laura Steinl
Lauen Oyler: Fake Accounts. Aus dem amerik. Engl. von Bettina Abarbanell. 368 Seiten, Berlin Verlag, Berlin/München 2022 EUR 24,70