Alt und arm

Altersarmut ist weiblich! Dies ist einer der Schlüsse aus dem Forschungsprojekt „Prekärer Ruhestand“ an der Universität München. Irene Götz und ihr Team haben 50 Frauen zwischen 63 und 85 Jahren aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Berufen über einen längeren Zeitraum hinweg interviewt und durch den Alltag begleitet. Im ersten Teil wird Ursachen der Altersarmut bei Frauen auf den Grund gegangen, wie etwa Gender Pay Gap, Teilzeitarbeit, unbezahlte Reproduktionsarbeit, Scheidung, hohe Wohnkosten in einer Großstadt (München), Pflege von Angehörigen und berufliche Dequalifizierung als Folge von Migration. Im zweiten Teil kommen die Frauen selbst zu Wort, ihre Geschichten, ihre Strategien und ihr Lebensgefühl. Erschreckend ist, dass einzelne Frauen trotz lebenslanger Arbeit armutsgefährdet sind, sich keinen entsprechenden Wohnraum leisten können und sich bei alltäglichen Bedürfnissen einschränken müssen, immer von der Angst begleitet, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren und anderen zur Last zu fallen. Die Auflistung, welche Ansprüche frau hat und welche Anlaufstellen Unterstützung bieten, ist eine wertvolle Ergänzung dieses interessanten, aber auch deprimierenden Buches. Die Serviceangebote und rechtlichen Ansprüche beziehen sich auf Deutschland und sind leider nicht auf Österreich übertragbar. Ein wenig beachtetes Thema wird in diesem Buch in ansprechender und berührender Form behandelt. Leider kommen die Verantwortung der Politik und die strukturellen Ursachen etwas zu kurz.
Angela Schwarz
Kein Ruhestand. Wie Frauen mit Altersarmut umgehen. Hg. von Irene Götz. 280 Seiten, Antje Kunstmann, München 2019 EUR 20,60