Am seidenen Faden!
Der neue Roman von Angelika Reitzer besticht wieder durch die intensive Einbindung des privaten Alltags. Er liest sich wie eine persönliche Chronik mit äußeren Eckpfeilern, auch wenn innere Monologe die zeitliche Linearität durchbrechen. Die Szenen bringen atmosphärisch leise auf den Punkt, was Menschen verbindet, was sie trennt, was sie gewinnen, was sie verlieren. Ante und Barbara leben in ihrer Welt: Kleinfamiliendasein mit zwei Kindern und der Schwester sowie deren Familie außerhalb von Wien am Rande von Maria Ellend. Miteinander und füreinander und dennoch autonom. Antes Vater aus Bosnien erleidet einen Herzstillstand, er kann genesen, hingegen als er später auf einem Rastplatz von Skinheads zusammengeschlagen wird, verliert er nachhaltig seine Lebenslust, er wird nicht mehr der Alte. Es fehlt die Perspektive auf etwas Anderes. Was bleibt sind Menschen mit ihrer Einbildungskraft und ihren Schwächen, da ist selbst der Blick auf den dreifachen Fußballweltmeister-Spieler Zidane ein gelungener, wenn es reicht, dann reicht es. Provokationen, die das Leben mit sich bringt, werden nicht immer in Demut erduldet. Der Roman ist ein Versuch, das Leben szenisch zu spiegeln. Die Präzision in der Beschreibung der Momentaufnahme: darin liegt die Qualität des Erzählstils.
ML
Angelika Reitzer: Obwohl es kalt ist draußen. 190 Seiten, Jung und Jung, Salzburg-Wien 2018 EUR 20,00