Antisemitismus und Misogynie
Als Rabbinerin weiß Delphine Horvilleur, wovon sie spricht, wenn sie ihre Leser_innen auf einen Ausflug in die Hintergründe des Antisemitismus einlädt – und der ist ohne Frage erkenntnisreich. Die Französin schafft es, das immer noch hochaktuelle Thema kritisch zu beleuchten und gleichzeitig eine humorvolle Schreibweise beizubehalten. Sie befasst sich mit Konzepten von Neid, Identität und Misogynie und versäumt dabei nicht, Einblicke in das jüdische Selbstverständnis zu offenbaren. Wichtig ist ihr dabei, eine feministische Perspektive einzunehmen, die durchaus Erfrischung in die Auseinandersetzung mit dem altbekannten Problem des Antisemitismus bringt. Dass sich die Autorin in ihren Theorien zur Ablehnung des Judentums vor allem religiösen Schriften zuwendet, mag der einen oder anderen Leser_in zu begrenzt erscheinen, bietet aber durchaus Gelegenheit zur Horizonterweiterung. Denn Raum für eigene Gedankengänge bleibt – und Zeit dafür lässt sich nach Beendigung des mit 140 Seiten recht kurzen Buches auch rasch wiederfinden.
Jana Reininger
Delphine Horvilleur: Überlegungen zur Frage des Antisemitismus. Aus dem Franz. von Nicola Denis. 140 Seiten, Carl Hanser Verlag, München 2020, EUR 18,00