Bedingungen weiblichen Schreibens
Ausgehend von der Figur der weiblichen Muse als Inspirationsquelle männlichen Kunstschaffens geht die Literaturwissenschaftlerin Erdmute Sylvester-Habenicht den geschlechtsspezifischen Bedingungen weiblicher Autor:innenschaft und den Strategien der Verhinderung, Ausbeutung und Unsichtbarmachung weiblicher literarischer Produktion nach. Dabei geht es ihr hauptsächlich um den historischen Nachvollzug der Herausbildung eines männlich konnotierten Modells des Schriftstellers als Schöpfer eines autonomen Kunstwerks, aber auch um die bis vor kurzem männliche Verfasstheit des literarischen Lebens und vor allem des literarischen Kanons. Diese und andere von der feministischen bzw. genderkritischen Literaturwissenschaft behandelten Themen und Fragestellungen versammelt sie in einer sehr anschaulichen, leicht konsumierbaren und verständlichen Form – nämlich in 33 kleinen Kapitälchen, die Antwort auf die ihnen jeweils vorangestellten (rhetorischen) Fragen geben. Eine lockere Verweisstruktur und der wie nebenbei systematische Aufbau dieser Abschnitte schaffen einen an Beispielen reichen, historisch dimensionierten Abriss wichtiger Fragestellungen und die optimistische Auflösung scheinbarer Aporien feministischer Literaturwissenschaft. Das kleine Büchlein, das die Wirkmächtigkeit bürgerlicher Genieästhetik teilweise auch heute noch aufzeigt, möchte mit seiner kritischen Reflexion und Erweiterung des Literaturbegriffs dazu beitragen, dass schreibende Frauen größere Spielräume und Wirkung haben.
SaZ
Erdmute Sylvester-Habenicht: Die Muse hat genug geküsst, sie schreibt! Frauen und Literatur. Spannende Antworten auf 33 verblüffende Fragen. 144 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Roßdorf bei Darmstadt 2019 EUR 15,50