Das Panoptikum der Weiblichkeitsentwürfe

Sanft. Süß. Zart. Diese Attribute werden Frauen – ja, auch Feministinnen – nicht nur zu- und vorgeschrieben, sondern teilweise auch von ihnen selbst internalisiert. Wie kommt es, dass Frauen in Zeiten eines salonfähigen und weitverbreiteten Feminismus immer noch die Aufgabe zukommt, als Zuckerguss auf dem von Männern dominierten Alltag zu fungieren? Und wie haben sich solche zuckrigen Ansprüche an Weiblichkeit nahezu unbemerkt in feministische Ansätze eingewoben? Von diesen Fragen nimmt die als Essay gestaltete Streitschrift von Ann-Kristin Tlusty ihren Ausgang. Intelligent, nahbar und authentisch analysiert die Autorin die Sphären der sanften, sich stets selbst aufopfernden, der süßen, sexuell unmündigen sowie der zarten, anmutig schwächlichen Frau und bettet sie in einen Kontext von Macht und Ohnmacht, ökonomischer Ungleichheit und fragwürdiger sexueller Mündigkeit ein, ohne dabei (Achtung: Wortwitz) verbittert zu wirken. Ein interessantes Buch für alle, die einen Blick in das Panoptikum der zeitgenössischen Weiblichkeitsentwürfe wagen wollen.

  Isa Zborka

Ann-Kristin Tlusty: Süss. Eine feministische Kritik. 169 Seiten, Carl Hanser, München 2021 EUR 18,50