Der gültige Wahn namens Norm

Wer will schon normal sein? Welche Rollen und Klischees lassen Spielraum? In einer Art innerem Dialog lässt Judith Zander LeserInnen ihres zweiten Romans an den Versuchen von Johnny teilhaben, sich den Einschränkungen einer dogmatischen Realität zu entziehen. Uneindeutig bleibt zunächst, ob Johnny eine Frau oder ein Mann ist – sein will die Figur jedenfalls beides. Sie befreit sich zunächst mit dem Namen „Johnny“ aus einer Zukunft als „Joana“: „Mit einem Namen wie Joana kann man nicht leben, wenn man doch ein Mädchen namens Johnny ist.“ Sie will jedenfalls nicht so sein wie die anderen. Auf ihrer Suche nach Beziehung und androgyner Seelenverwandtschaft entdeckt Johnny, dass sie Verliebtsein als hermaphroditische Situation empfindet. Die Autorin unterlegt ihren sprachgewandten Text mit zahlreichen Zitaten aus Pop- und Hochkultur. Patti Smith kommt da ebenso vor wie Sappho und Shakespeare, ein Verweis auf „den namensgebenden Johnny Lackland“, Bruder von Richard Löwenherz findet sich in Gesellschaft von Texten aus Kinderliedern. Die Protagonistin des Romans ist Jahrgang 1980, in der damaligen DDR zur Welt gekommen. Äußerlicher Rahmen sind biografische und politische Ereignisse wie der Fall der Mauer, Reisen nach Finnland und Australien. Johnnys innere Reise spielt sich innerhalb ihres flexiblen erotischen Subjekts ab, im Text wählt sie eine Du-Form, mit der sie sich tatsächlich selbst anspricht und mit der die Leserin schnell in Beziehung tritt.

Susa

Judith Zander: Johnny Ohneland. Roman. 528 Seiten, dtv, München 2020 EUR 25,70