Der Kampf gegen Femizide

Die Ich-Erzählerin, eine junge Rechtsanwältin aus São Paulo, fährt in die Region Acre, um als Beobachterin an Gerichtsverhandlungen über Frauenmorde teilzunehmen. Sie freundet sich mit der Staatsanwältin Carla an, einer mutigen Kämpferin gegen Gewalt gegenüber Frauen. Acre, wo ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die indigene Bevölkerung versklavt und ausgerottet wurde, bildet den Schauplatz, auf dem Patrícia Melo das Thema der Femizide in Brasilien und der patriarchalen Gewalt mit der Gewalt gegen die indigenen Völker und die Natur verknüpft. Ausgehend vom Geschworenenprozess, bei dem drei weiße junge Männer, Söhne alteingesessener Siedlerfamilien, freigesprochen werden, obwohl sie Txupira, ein 14-jähriges indigenes Mädchen gefoltert, vergewaltigt und ermordet haben, verfolgen wir die gefährlichen Anstrengungen von Carla und der Ich-Erzählerin, die Mörder zur Verantwortung zu ziehen. Dazwischen finden sich Passagen, in denen die Ich-Erzählerin über den Kontakt zum Volk der Ch’aska und zur Schamanin Zapira auf halluzinatorischen Traumreisen, voll von teils grotesken Naturerscheinungen, nicht nur in heiteren kollektiven Amazonen-Rachefantasien schwelgt, sondern ihrer verdrängten Erinnerung an die Ermordung ihrer Mutter auf die Spur kommt.
Nicht zuletzt durch die Stilmittel der wiederkehrenden namentlichen Aufzählung der Opfer und Täter von Femiziden und der litaneihaften Schilderung der Auslöser und Methoden von Frauenmorden vermag dieses informierte und kämpferische Buch gleichermaßen Entsetzen und Widerstandskraft auszulösen.
SaZ
Patrícia Melo: Gestapelte Frauen. Aus dem brasil. Portug. von Barbara Mesquita. 256 Seiten, Unionsverlag, Zürich 2021 EUR 22,70