Die Erbauung des Panamakanals
Anhand verschiedenster menschlicher Schicksale beschreibt die nordamerikanische Autorin Christina Henríquez die in sich gespaltene, multikulturelle Gesellschaft bei der Erbauung des Panamakanals Anfang des 20. Jahrhunderts. Der ökonomische Widerspruch zwischen Einheimischen und den zugewanderten nordamerikanischen und europäischen Akteur*innen wird nachvollziehbar. Menschen sterben an Lungenentzündungen, Gelbfieber, Malaria und Diphtherie. Die medizinische Versorgung ist teuer und noch auf einem unzureichenden Wissensstand, was die Bekämpfung dieser Krankheiten angeht. Unerbittliche und rassistische Arbeitsbedingungen auf der Baustelle werden anhand einer Baugruppe nachgezeichnet. Zahlreiche Menschen sterben aus Erschöpfung oder aufgrund von nicht kalkulierbaren Arbeitsunfällen. In diesem Umfeld geht es aber auch um unerfüllte Liebesbeziehungen und Lebenslügen, die unverzeihlich sind. Im Mittelpunkt des gigantischen Bauvorhabens gibt es ein widerständiges Dorf, welches umgesiedelt werden soll und sich den Plänen des Kanalbaues entgegenstellt. Der Autorin ist ein spannend zu lesender Pageturner gelungen. Sie malt nicht schwarz-weiß, sondern entlang von Hautfarbe, Geschlecht und Status werden Menschen mit ihren unterschiedlichen Sorgen und Ängsten emotionsreich ausgestattet, ohne ihr Handeln explizit zu bewerten. Eine Stärke des Romans liegt genau darin, dass Henríquez dazu ein breites Repertoire an Charakteren heranzieht, so dass ein möglichst informatives Bild über die inhomogene Gesellschaft in dieser historischen Phase entsteht.
ML
Christina Henríquez: Der große Riss. Aus dem Engl. von Maximilian Murmann. 415 Seiten, Hanser, München 2025 EUR 26,80