Die Grenzen von Freiheit
Zwei Gesellschaften auf zwei Planeten – früher waren sie eins, bevor ein Teil im Streit Urras verließ, um auf Anarres neu zu beginnen. Die WegzüglerInnen sind AnarchistInnen, sie wollen eine freie Gesellschaft gründen. Wer sich nicht an der Arbeit beteiligen möchte – und davon ist viel zu leisten, Anarres ist ein Wüstenplanet –, kann für sich alleine abseits bleiben. Es gibt kein Eigentum, die Kindererziehung wird abseits der Eltern von der Gemeinschaft organisiert, Frauen und Männer sind gleichgestellt, Homo- und Heterosexualität sind normal. Über die Jahrzehnte ist jedoch auch ein Bürokratiesystem entstanden, das die Frage provoziert: „Was taugt eine Anarchie, die Angst vor Anarchisten hat?“ Der Physiker Shevek, Anarchist und loyaler Annarese, vermag durch diese Einengung nicht länger seiner Arbeit nachzugehen. Er arbeitet an einer neuen Kreistheorie der Zeit, die eine Reise durch den Raum ohne Zeitverzug ermöglichen kann – aber soll Anarres überhaupt Kontakte nach außen haben? So folgt er dem Ruf von Urras, wo großes Interesse an seiner Theorie besteht. Auf Urras herrschen Kapita‑ lismus und Patriarchat. Ist ein Brückenschlag überhaupt möglich? Eines der großartigsten Bücher der Science-Fiction Doyenne Ursula K. Le Guin, „Planet der Habenichtse“, geschrieben 1974, liegt nun in dieser neuen, sehr stimmigen Übersetzung vor. Es (wieder) zu lesen macht immer noch betroffen von der Frage, ob es überhaupt möglich sein kann, eine freie Gesellschaft zu entwickeln und zu erhalten. Große Empfehlung! gam
Ursula K. Le Guin: Freie Geister. Aus dem Amerik. von Karen Nölle. 430 Seiten, Fischer Tor, Frankfurt/M. 2017 EUR 15,50