Die Juliet mit Ziel
Als Juliet Montagues Ehemann und Vater ihrer zwei kleinen Kinder von einem Tag auf den anderen verschwindet, ist das zusätzlich zur persönlichen Tragödie auch noch Anlass für endlosen Klatsch und Tratsch hinter vorgehaltener Hand für die jüdische Gemeinde, in der sie Anfang der 50er Jahre in einem Londoner Vorort lebt. Ihr konservatives Umfeld erwartet, dass sie sich den Regeln beugt, die für verlassene Ehefrauen, sogenannte agunas, gelten. Der Kauf eines Porträts ihrer selbst anstelle des lang geplanten Kühlschranks ist nur der erste Schritt aus diesem zu engen ihr auferlegten Korsett. Erstmals Herrin über ihr eigenes Leben, beginnt Juliet in die Richtung zu gehen, in die ihr Inneres sie zieht und bricht mit den Traditionen und tradierten Rollen ihrer Herkunftswelt. Sie macht ihre Liebe zur bildenden Kunst zum Beruf und gründet in London eine Galerie, in der sie moderne Künstler (der damaligen Zeit entsprechend nur wenige Künstlerinnen) ausstellt.
Die kontinuierliche Emanzipation der eigenwilligen Hauptfigur der britischen Autorin Natasha Solomons garantiert, dass die Handlung bis zum Ende spannend bleibt. Und wer es liebt, ihre und seine Wochenendnachmittage in Museen und Galerien zu verbringen, ist mit diesem Buch sowieso gut aufgehoben. Denn die in Sprache gegossenen Malereien und Zeichnungen sind so wunderbar bildhaft beschrieben, dass sie ganz von selbst vor dem geistigen Auge der Leserin auftauchen. Sara Riedmann
Natasha Solomons: Die Galerie der verschwundenen Ehemänner. Roman. Aus dem Englischen von Martin Ruben Becker. 416 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2014 EUR 20,60