Die Sünden der Männer

Zweifelsohne legt Katharina Döbler mit ihrem semibiografischen Roman eine außergewöhnliche Familiengeschichte vor. Beide Großväter, aus ärmlichen Bauernfamilien stammend, lassen sich vom fränkischen Neuendettelsauer Missionswerk als protestantische Missionare anwerben und werden vor dem Ersten Weltkrieg nach Papua-Neuguinea entsendet. Ihre Aufgabe besteht darin, die dort lebenden Menschen zum Christentum zu bekehren und diese ökonomisch auszubeuten. Über das Missionswerk finden sie ihre zukünftigen Ehefrauen, die ihnen nach Papua-Guinea folgen. Anhand von Briefen, Fotos und den bruchstückhaften Erzählungen ihrer Großmutter Nette hat Döbler deren Lebensgeschichte bis zum Jahr 1948 verfolgt und fiktive Gedanken und Gefühle in die Protagonist:innen projiziert, um deutsche Kolonialgeschichte greifbar zu machen. Dabei spart sie die politische Überzeugung ihrer Großeltern nicht aus, was deren Enthusiasmus für den Nationalsozialismus angeht. Beide Familien machen sehr unterschiedlich von ihrem ‚Herrenmenschen-Dasein‘ auf Papua-Neuguinea Gebrauch, was ihr Verhältnis zu den Einheimischen betrifft. Diese Charakterisierung ist fragwürdig, da dadurch eine gewisse Schwarzweißmalerei die Sympathien der Personen betreffend ermöglicht wird. Dennoch, die Autorin ist nicht unkritisch. Aufgelockert wird die Handlung dadurch, dass Döbler zeitlich immer wieder in die Gegenwart wechselt und ihre persönlichen Gedanken von den Begegnungen mit der Familie insbesondere mit Nette einblendet.
ML
Katharina Döbler: Dein ist das Reich. 480 Seiten, Claassen (Ullstein), Berlin 2021 EUR 24,70