Die völkisch wertvolle Ehe

Die deutsche Mutter, Blutsgemeinschaft, bewusste Gattenwahl, erbgesunder Nachwuchs – ein Vokabular, das Albträume verursacht. Die Beziehungen zwischen Männern und Frauen im Nationalsozialismus werden in den Beiträgen des Bandes untersucht. Originalmaterialien wie unter anderem Auszüge aus Feldpostbriefen, Tagebucheinträge, Fotografien, Propagandaschriften sowie die Analyse der vom Reichspropagandaministerium in Auftrag gegebenen Kinofilme führen nahe an das Zeitgeschehen heran. Scheidungspraxis im Nationalsozialismus, die Erziehungsratgeber von Johanna Haarer, die übrigens nach 1945 nahezu unverändert weiter erschienen, die Ehe als Leistungsgemeinschaft im Krieg und die Situation von Prostituierten sowie von Soldatenschwestern sind einige der Themen, über die ausführlich informiert wird. Die staatliche Instrumentalisierung der Paare als Diener_innen der Volksgemeinschaft wird etwa deutlich in einem Briefwechsel, in dem ein Soldat seine Verlobte an der „Heimatfront“ mehrmals auffordert, ihren Ariernachweis zu erbringen, weil er dem Führer nur „erbgesunde, reinrassige Kinder“ schenken will. Gerade weil im Nationalsozialismus ein Leben außerhalb der heterosexuellen Norm keinen Platz hatte und lebensgefährlich war, fehlt mindestens ein Beitrag zur Situation von Menschen mit queeren Identitäten sehr. Die zahlreich zitierte Originalliteratur bringt die Brutalität des Regimes deutlich ins Bewusstsein. Und das ist nötig. Gerade heute müssen wir solche Bücher lesen.

Margit Happerger

Geschlechter­beziehung und „Volksgemeinschaft“. Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 34. Hg. von Klaus Latzel, Elissa Mailänder und Franka Maubach. 288 Seiten, Wallstein, Göttingen 2018 EUR 20,60