Drittes Geschlecht statt Leerstelle

Das deutsche Bundesverfassungsgericht fordert im Oktober 2017 die Einführung eines dritten Geschlechts für Inter*sexuelle, die zuvor beschlossene Möglichkeit der Leerstelle, also des Nicht-Deklarierens als männlich oder weiblich wurde als Diskriminierung betrachtet. Wer die Methode der Diskursanalyse nach Sarasin und Foucault in konkreter wissenschaftlicher Anwendung auf Textmaterial kennenlernen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient. Die gesetzliche Regelung einer dritten Geschlechtsmöglichkeit des Personenstands jenseits der Entweder-Mann- oder-Frau-Dichotomie bietet intersexuell geborenen Menschen mehr Freiheit. Sie müssen sich nun nicht mehr in eine Kategorie einordnen, die ihrer selbst erlebten Identität nicht entspricht. Spannend wird die Rechtsprechung, ob diese neue Kategorie auch Menschen mit biologisch „eindeutig“ einem Geschlecht zuordenbaren Körper, die sich aber nicht oder nicht nur diesem körperlichen Geschlecht entsprechend fühlen und verstehen, offen steht. In jedem Fall wird der Medizin dadurch die Legitimation ihrer bisher praktizierten gewaltvollen Praxis der Vereindeutigung des Geschlechts durch operative und hormonelle Eingriffe genommen (etwa die Verkleinerung einer „zu großen“ Klitoris) – und das ist gut so! Genitalverstümmelungen sind Menschenrechtsverletzungen und die Medizin darf nicht mehr die Definitionsmacht haben, heteronormative Geschlechternormen ins Fleisch zu schneiden.
Bettina Zehetner, Frauen* beraten Frauen*

Yvonne Flöck: Transformation des medizinischen Intersexmanagements. Eine wissenssoziologische Diskursanalyse. 240 Seiten, Budrich Uni Press, Opladen Berlin 2018 EUR 34,20