Pussy Riot in Deutschland

Patricia Goletz beschäftigt sich mit der medialen Berichterstattung zur Verurteilung der feministischen Pussy Riot Aktivist_innen aufgrund ihrer Punk Performance in einer Orthodoxen Kirche in Moskau 2012. Deutsche Medien hatten in ihrem Interesse einen Wertekrieg zwischen westlichen liberalen und russischen konservativen Kräften abzubilden, tendenziös und einseitig berichtet und dadurch das Russlandbild der deutschen Gesellschaft negativ geprägt. Die stereotype Berichterstattung verzichtete auf genauere soziokulturelle Analysen, und die Übersetzung des „Punkgebetes“ ins Deutsche verharmloste dessen Inhalt. Eine tiefgehende Reflexion der spezifischen Gegebenheiten sei nötig, um die politischen Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Bildung, Kirche und Staat zu verstehen, um nicht vorschnell alle Ereignisse auf die Machtinteressen der politischen Elite zurückzuführen. Goletzs Analyse der öffentlichen Reaktionen auf das „Punkgebet“ und die Verurteilung der Aktivistinnen zu zwei Jahren Straflager eröffnet einen Einblick in die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Russland. Im Unterschied zu den deutschen Medien sieht sie kein rein politisches Interesse als entscheidend für das Gerichtsurteil. Ihre Beschreibung der Hintergründe des Falls ist interessant und bietet tatsächlich einen wichtigen Analyserahmen, der in den deutschen Diskursen fehlt. Dennoch sollte auch Goletzs Analyse kritisch begegnet werden, besonders der Schluss, dass die russische Bevölkerung Pussy Riots Forderung nach der Trennung von Staat und Kirche nicht unterstützte.
Katharina Wiedlack

Patricia Goletz: Das Russlandbild in den deutschen Medien: Der Fall Pussy Riot und seine Aufarbeitung in Deutschland. 135 Seiten, Ibidem, Hannover 2016 EUR 25,50