Ein Leben wagen „in Mannskleydern“ 

Angela Steidele forschte aus kulturwissenschaftlicher Perspektive zu Liebesbeziehungen zwischen Frauen im 18. und 19. Jahrhundert und hat jetzt einen der spannendsten Fälle zu einem literarischen Glanzstück verwoben: In ihrem historischen Briefroman „Rosen stengel“, ausgehend von authentischen Quellen, werden wir ins 18. Jahrhundert zu Anastasius Rosenstengel alias Catharina Linck entführt, die seit ihrem 15. Lebensjahr als Mann verkleidet lebte, „um das zu thun, was Weibern verboten.“ Sie zog zunächst als Prophet mit einer Sekte umher, verdingte sich als Musketier und heiratete schließlich ihre Geliebte, wobei sie die Ehe „mit einer ledernen Wurst vollzog“. Catharina Linck war die letzte Frau, die in Europa wegen „Unzucht“ mit einer anderen Frau hingerichtet wurde. Der zweite Erzählstrang führt uns ins 19. Jahrhundert zu Ludwig II., dem homoerotisch veranlagten, kunstbesessenen bayerischen Märchenkönig, der von dem jungen Irrenarzt Franz Carl Müller auf den Fall der Linck aufmerksam gemacht wird. Ludwig II. zeigt sich fasziniert und treibt Müller an, die Geschichte zu einem „großartigen, historischen Werke“ zu verarbeiten. Müller wiederum wird von Verschwörern instrumentalisiert, die den König entmündigen lassen wollen.

Ausgehend von den Briefwechseln der beteiligten Figuren entspinnen sich Verhandlungen über geschlechtliche Identitäten, Liebe und Begehren, Gesundheit und Wahn(sinn), Kunst und Wirklichkeit. Helene Breitenfellner

Angela Steidele: Rosenstengel. Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwigs II. 383 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2015 EUR  28,00