Ein Teil von mir …

Die Autorin hat acht unterschiedliche Betroffene (sieben Frauen und einen Mann) nach ihren sexuellen Gewalt- und Missbrauchs­erfahrungen in der Kindheit befragt, wobei es weniger um eine Konkretisierung des erlebten Missbrauches geht als um die Fragestellung, wie es die Opfer schaffen, damit umzugehen. Wichtig ist für alle Befragten, dass es ihnen irgendwann gelungen ist, darüber zu reden, was ihnen Angehörige, der Freund der Mutter oder Bekannte angetan haben. Missbrauchserfahrungen mischen sich immer wieder in das eigene Leben ein, so dass Verdrängung als Kompensation keine langfristige Lösung darstellt. Viele Gefühle aus der damaligen Hilflosigkeit und Ohnmächtigkeit tauchen kontextuell mittelbar auch Jahrzehnte später noch im eigenen Alltag auf. Erst die Möglichkeit, dass die Betroffenen die erlebte sexuelle Gewalt als Teil von sich annehmen und zeitgleich die Erkenntnis, dass ihr Leben sich aus vielen weiteren Bestandteilen zusammensetzt, schafft eine Linderung. Tragisch ist dennoch, dass sexuelle Gewalt nach wie vor einem massiven gesellschaftlichen Tabu gegenübersteht. Die einzelnen vorgestellten Lebensgeschichten sind empathisch und Kraft spendend. Eine ansprechende Herangehensweise an ein schwieriges, leidvolles und komplexes Thema. Danke schön!

ML

Für immer traumatisiert? Leben nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit. Hg. von Beate Kriechel. 144 Seiten, Mabuse-Verlag, Frankfurt/M. 2019, EUR 17,50