Eine Annäherung an den Tod
3197 Menschen wurden während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet in Chile ermordet. Das ist die angenommene Zahl, mit der Felipe, einer der drei Protagonist*innen, in Form von inneren Monologen arbeitet. Felipe begegnen die Toten in seinem Alltag in Santiago de Chile. Seinen Alltag verbringt er meistens allein, herumwandernd in der Stadt mit mehr oder weniger starken Drogenräuschen. Felipe addiert und subtrahiert die Toten, um so die Differenz herauszufinden. Seine (einzige) Freundin ist Iquela, mit der er seine Kindheit verbracht hat. Auch Iquela ist ein Kind von Eltern, die in der Militärdiktatur im Untergrund gekämpft haben. Ihre Eltern haben diese finstere Zeit überlebt, Felipes Eltern nicht. Paloma ist die Tochter von Genoss*innen, die in letzter Minute vor der Machtergreifung Pinochets nach Berlin fliehen konnten. Palomas Mutter ist in Deutschland an einer Krebserkrankung gestorben. Paloma will sie in Chile beerdigen. Leider strandet der Sarg wegen eines Vulkanausbruchs in Argentinien. Felipe, Iquela und Paloma machen sich mit einem geborgten Leichenwagen auf den Weg, um ihn zu holen. Alia Trabucco Zerán hat ein sprachlich außergewöhnliches Debut vorgelegt. Es ist der Versuch einer Annäherung an den Tod und eine Auseinandersetzung mit den Folgen einer gesellschaftlichen Traumatisierung durch viele Jahre Militärdiktatur. Düster und sehr poetisch.
Beate Foltin
Alia Trabucco Zerán: Die Differenz. Aus dem chilen. Span. von Benjamin Loy, 220 Seiten, bahoe books, Wien 2022 EUR 19,00