Elend in der Zwischenkriegszeit

In 31 Reportagen und Feuilletons nimmt uns Else ­Feldmann in das Wien der Zwischenkriegszeit mit. Die Reise führt freilich nicht in eine ‚gute alte Zeit‘, sondern vielmehr in die Armenviertel, wo schreckliche Arbeitsbedingungen zu teils irreparablen Gesundheitsschäden führen. Eltern vererben ihren Kindern Krankheiten und die Wohn- und Ernährungssituation tut ein Übriges. Die Beschreibungen der Arbeits- und Lebensumstände verschiedener Berufsgruppen wie etwa FabrikarbeiterInnen und auch KünstlerInnen zeigen eine Gesellschaftsordnung, in der das Leben und die Gesundheit vieler der Profitgier von wenigen untergeordnet wird. Die Ausbeutung macht auch vor Kindern nicht halt. Ihre Situation liegt Else ­Feldmann besonders am Herzen und sie beschreibt sie in einigen ihrer Sozialreportagen. Die Bilder, die Else ­Feldmann mit Worten zeichnet, erinnern an die ausdruckstarken Bildwerke und Skulpturen von Käthe Kollwitz. Ihr ist auch ein Artikel gewidmet, den Else ­Feldman nach einem Besuch einer Ausstellung verfasst. Else Feldmanns Studien sind eindringlich, beschreibt sie doch ein Milieu, das ihr sehr vertraut ist. Sie wächst mit ihren sechs Geschwistern in einer jüdischen Arbeiterfamilie auf. Aufgrund von Geldmangel muss Else ­Feldmann ihre Ausbildung zur Lehrerin abbrechen. Sie arbeitet danach als Fabrikarbeiterin in einer Miederwerkstatt. 1942 wird Else ­Feldmann in das Vernichtungslager ­Sobibor deportiert und dort ermordet.
Karin Nusko
Else Feldmann: Flüchtiges Glück. Reportagen aus der Zwischenkriegszeit. Hg. von Adolf Opel und MarinoValdez. 165 Seiten, Edition Atelier, Wien 2022 EUR 22,00