Erinnerungen eines „Flintenweibs“

Die spätere SPÖ-Politikerin Maria Emhart (1901 –1981) wuchs in ärmlichen Verhältnissen in St.Pölten auf. Schon mit 14 Jahren arbeitete sie in den örtlichen Fabriken, um ihre Familie zu unterstützen. Als sie 1918 Zeugin des Jännerstreiks in St.Pölten wurde, bei dem sich vor allem Frauen für ein Ende des Krieges einsetzten, begann sie sich politisch zu engagieren und wurde schon bald aktive Gewerkschafterin und SDAP-Mitglied. Als Beteiligte bei den Februarkämpfen 1934 wurde sie verhaftet und als „Rädelsführerin“ angeklagt. Bei ihrer Verteidigung betonte sie jedoch, dass sie als „Frau“ nichts mit dem Schutzbund zu tun haben konnte. Die essentialistischen Rollenbilder der Austrofaschisten machten nämlich auch in den Reihen der Sozialisten nicht halt. Frauen hatten demnach fürsorgliche Mütter zu sein, deren Aufgaben sich im häuslichen und reproduktiven Bereich befanden. Sogenannte „Flintenweiber“, also Frauen im militanten Widerstand, wurden hingegen als Zeichen des Sittenverfalls gewertet. Lena Köhler hat die Lebensgeschichte der Maria Emhart anhand einer Vielzahl von Selbstzeugnissen (Briefe, Gerichtsprotokolle, Aufzeichnungen) nachgezeichnet. Die Autorin unterzieht die Quellen dabei einer kritischen Analyse, insbesondere in Hinblick auf die Bedeutung der Kategorie Geschlecht und der Frage danach, was und wie erinnert wird. Ab und an etwas „überkonstruktivistisch“, bleibt dieser Band dennoch eine gut recherchierte Arbeit über die Rolle von Frauen im sozialistischen Widerstand.

ReS

Lena Köhler: Die Konstruktion von Erinnerung. Geschlecht, Sozialismus und Widerstand gegen den Austrofaschismus anhand der Selbstzeugnisse Maria Emharts. 128 Seiten, LIT Verlag, Wien 2020 EUR 19,90