Exil anders

Der vorliegende Sammelband liefert einen wertvollen und längst fälligen Beitrag zur Flucht- und Migrationsforschung, denn er beleuchtet Flucht und Vertreibungserfahrungen aus der Perspektive der Frauen. Fokussiert wird auf die Zeit des Nationalsozialismus, also von 1933 bis 1945, sowie auf gegenwärtige Fluchtbewegungen, z. B. aus Syrien oder Tschetschenien. Bei vielen Unterschieden gibt es einige Gemeinsamkeiten beim Exil von Frauen – heute wie damals. Doch sowohl die praktische Betreuung von Geflüchteten sowie die Forschung sind weitgehend androzentrisch. Zusätzlich zu den Phänomenen, von denen alle Geflüchteten betroffen sind, wie einer Zeit des Wartens auf Asyl, einer Zeit der Ungewissheit, dem Verlust der Heimat und sozialen Zusammenhängen, sind Frauen mit spezifischen Gewalterfahrungen konfrontiert: mit Vergewaltigung, Frauenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsheirat. Diese Erfahrungen sind tabuisiert. Aufgrund von stereotypen Rollenzuschreibungen brauchen Frauen länger für den Spracherwerb und können am Arbeitsmarkt erst später Fuß fassen als Männer. All diese Phänomene werden in den unterschiedlichen Beiträgen an individuellen Frauenschicksalen der Vergangenheit und Gegenwart beschrieben. Der Band ist sowohl für Wissenschaftlerinnen wie auch für allgemein an Migration Interessierte zu empfehlen.
Susanne Schweiger
Das Exil von Frauen. Historische Perspektive und Gegenwart. Hg. von Ilse Korotin und Ursula Stern. 422 Seiten, Praesens Verlag, Wien 2020 EUR 33,00