Familienaufstellung

Im Frühling 1946 begegnen sich Aurora und Modesto am Bahnhof von Florenz und verlieben sich ineinander. Ende der fünfziger Jahre ist aus den beiden ein kinderloses Ehepaar geworden, das dem monotonen Alltag mit Liebesaffären zu entfliehen versucht. Ein anonymer Brief an Modesto bringt diesen derart aus der Fassung, dass er sein aktuelles Leben verlässt und sich auf eine Reise in die Vergangenheit begibt. Zurück bleibt die schwangere Aurora, die nicht weiß, wessen Kind sie erwartet. Ihrer Sichtweise wird erst im letzten Teil des Romans in Form von Tagebuchskizzen geschildert. Bis dahin steht Modesto im Vordergrund: Erzählt wird vom frühen Tod der Mutter und dem schillernden, doch zwiespältigen Onkel, aber auch von den Gräueltaten der beiden Weltkriege. Mit dem Titel Drei Lebende, drei Tote, spielt Ruska Jorjoliani offensichtlich auf das mittelalterliche Mahnwort „Memento mori“ an, also die Aufforderung, dass wir uns unserer Sterblichkeit bewusst sein sollen. Trotz der teilweise traumhaft und verwirrenden Erzählstränge gelingt es der Autorin, am Schluss alle losen Enden wieder miteinander zu verknüpfen.
Ute Fuith
Ruska Jorjoliani: Drei Lebende, drei Tote. Aus dem Ital. von Barbara Sauser. 235 Seiten, Rotpunktverlag, Zürich 2021 EUR 24,50