Frauen der DDR – organisiert und bewegt
Mit der vorliegenden Dissertation der frauen-, kultur-, und zeithistorisch arbeitenden Autorin Jessica Bock wird erstmals eine über 20 Jahre gesammelte Existenz von Frauengruppen in der DDR am Beispiel von Leipzig veröffentlicht: Umfangreiche Archivarbeit und akribische Sichtung von Quellen – vor allem jene aus Privatarchiven der interviewten Zeitzeuginnen – ermöglichen eine detaillierte empirische Analyse über durchgehend 20 Jahre Frauenbewegung in Leipzig. Ehemalige Aktivistinnen oder Gründerinnen aus Gruppen der Frauenfriedensbewegung, aus Lesbengruppen und kirchlichen Frauengruppen teilen darüber hinaus persönliche Erinnerungen – eingebettet in die Lebensrealitäten von Frauen in der DDR. Die Autorin verdeutlicht die notwendige Konsequenz, dass Frauen und Lesben sich organisieren – gegen Militarisierung, einen patriarchalen Staat und gegen die Vereinzelung mehrfach belasteter Frauen. Die Leserin erfährt von Strategien des Widerstandes in einem Regiment der Überwachung, in dem der literarische Feminismus ein Weg für öffentliche emanzipatorische Gesellschaftsentwürfe ist. Gruppen, die darauf aufbauen, bieten auch Raum und Räume für Tabuthemen, wie Männergewalt und prekäre Arbeitsverhältnisse. Handlungsfelder und Akteurinnen verändern sich durch die politischen Prozesse nach 1989 und auch danach immer wieder. Ein wissenschaftlich-übersichtliches Werk, das die Leserin an der Fülle von Information und Lebendigkeit nicht mehr loslässt.
Claudia Bergermayer
Jessica Bock: Frauenbewegung in Ostdeutschland. Aufbruch, Revolte und Transformation in Leipzig 1980–2000. 460 Seiten, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2020 EUR 48,00