Fundgrube und Erkenntnisreise
„Man legt hier gewissermaßen Zeugnis ab von dem, was man einmal gedacht und getan hat, und übt Selbstkritik, diese äußerst schwierige Praxis, ohne die Lernen gar nicht möglich ist. Zugleich kann man die eigenen Lernprozesse beobachten, … ist vergangenes Subjekt und taucht wieder auf als ein anderes im öffentlichen Nachweis.“ Frigga Haug hat oft formuliert, dass ein Analysieren der Verhältnisse und die Vermittlung der gewonnenen Kenntnisse nicht ohne eine kritische Selbstverobjektivierung zu haben ist; ein hoher Anspruch. Das Buch besteht aus großteils vergriffenen Originaltexten (Mitte 1970er bis Mitte 1990er Jahre) der Autorin und ihren diese kommentierenden historisch-kritischen Einbettungen. Es dokumentiert aus einer marxistisch-feministischen Perspektive eine bei allen innerfeministischen Differenzen doch geteilten Theorie/Geschichte. Es ist spannend Frage- und Themenstellungen (unter anderem welche Bücher wurden wann diskutiert) in ihrer Zeit und deren Entwicklung und Brüche nachvollziehen zu dürfen. Einige Beiträge bestechen durch ihre zeitlos fachliche Expertise (z.B. zum Thema Angst), einige sind Vorbilder für die Verbindung von Theorie und Alltagserfahrung. Rote Fäden: die Linke muss ihre Feminismus ignorierende Arroganz ablegen; feministische Wissenschaft darf sich nicht als zivilgesellschaftliches Projekt vergessen; die Vergangenheit zu erinnern erweitert die Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten für die Gegenwart; letztlich und immer wieder kann Veränderung nur gemeinsam geschehen.
Birge Krondorfer
Frigga Haug: Selbstveränderung und Veränderung der Umstände. 349 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2018 EUR 24,70