Gedoppelte Rückblende

Ende der 1930er Jahre luden drei Wissenschaftler der Universität Harvard „alle, die Deutschland vor und nach Hitler gut kennen“ ein, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben und einzusenden. Es war ein wissenschaftliches Preisausschreiben, bei dem es ein Preisgeld für die besten Manuskripte zu gewinnen gab. Etwa 260 EmigrantInnen aus Deutschland und Österreich nahmen daran teil und produzierten einen Quellenbestand, wie ihn sich die heutige Forscherin nur wünschen kann – authentisch und zeitnah. Das vorliegende Buch entstammt einem größeren Forschungszusammenhang, der sich diesem Bestand widmete und aus dem bereits mehrere Publikationen hervorgegangen sind. Die Autorinnen dieses Bandes wählten neun Texte von Frauen aus, die weibliche Berufstätigkeit zum zentralen Thema haben. Dabei ging es den Autorinnen weniger um die titelgebenden Berufsgruppen der Wissenschaft und Kunst, als darum, vergleichbare Entwicklungen in den einzelnen Lebenswegen aufzeigen zu können. Da die Originaltexte nur in Zitaten und nicht als ganzer Text abgedruckt sind, geben die Beiträge des Buches mehr Einblick in die Fragestellungen der derzeitigen historischen und Sozialforschung, als in die Lebenswelten der Schreiberinnen im Jahr 1940. Das ist einerseits schade, andererseits erfahren die Texte durch die sorgfältige Bearbeitung eine Verdichtung und inhaltliche Erweiterung, die vor allem für die biographische Forschung sehr interessant sind. Sonja Niederacher

„Wie ein Schatten ging ich meinen Weg zu Ende“ – Emigrantinnen aus Wissenschaft und Kunst. Autobiographische Rückblenden aus dem Jahr 1940. Hg. von Sylke Bartmann. 248 Seiten, Budrich UniPress Ltd., Opladen-Berlin-Toronto 2013  EUR 29,90