Gekränktes Anspruchsdenken

Die Journalistin Susanne Kaiser identifiziert in ihrem Buch gekränktes männliches Anspruchsdenken als maßgeblichen Faktor einer sich radikalisierenden ‚Mannosphäre‘. Ziel dieser Bewegung ist die Bekräftigung einer vermeintlich natürlichen Geschlechterhierarchie, die die Akteure ins Wanken geraten sehen. In drei Kapiteln bietet Kaiser einen Überblick über Ideologie, Protagonisten und Vernetztheit der Bewegung. Sie zeichnet zunächst die sich on- und offline organisierenden neuen Formen misogyner Männlichkeit nach. Dafür analysiert sie Forenbeiträge und die frauenfeindlichen Attentate sogenannter ‚Incels‘ (misogyne Männer, die ‚unfreiwillig zölibatär‘ leben und Frauen für diesen Umstand verantwortlich machen) und legt so die Funktionsweise der Szene dar. Anschließend beschreibt sie die Ideologie der Maskulinisten und geht auf die kruden Konzepte einiger ‚Propheten‘ männlicher Suprematie ein. Dass es sich bei diesen Gedankengängen eben nicht um das Werk einzelner Irrlichtender handelt, sondern um ein transformatorisches Programm, das in politisches Handeln übersetzt wird, erörtert Kaiser im abschließenden Kapitel. Darin dokumentiert sie, wie die Mobilmachung gegen Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit zum globalen Diskurs geworden ist, der internationale Rechte, christliche Fundamentalisten und Konservative miteinander verbindet. Das Abbilden der Verbindungslinien und des Musters von Misogynie und politischer Männlichkeit, das sich in internationalen Netzwerken, einem autoritären Backlash und schließlich in Terrorismus (zahlreiche rechte Attentäter hatten misogyne Tatmotive!) niederschlägt, ist die Stärke des Buchs. Auch wenn das Ausmaß des Frauenhasses wieder mal sehr bedrückend ist, empfehle ich dieses Buch allen, die sich mit Männlichkeit und autoritärer Politik befassen.
Laura Steinl
Susanne Kaiser: Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen. 268 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2020 EUR 18,50