Überwinden Cyborgs die Gender-Grenzen?

Die transhumanistische Vision geht davon aus, dass die nächste Evolutionsstufe der Menschheit durch die Fusion mit Technologie erreicht wird. Technologien, die wir heute wie Accessoires am Körper tragen, sollen künftig mit uns verschmelzen. An die Stelle des Menschen sollen Cyborgs treten. In ihrer reichhaltigen Dissertation Cyborg werden sprengt die Literaturwissenschaftlerin Dagmar Fink das patriarchal-linear geprägte Narrativ der durch technische Manipulation optimierten, unsterblichen Menschmaschine. Fink bezieht sich auf die Theorien der Philosophin Donna Haraway und fokussiert insbesondere die transformatorische Kraft der von weiblichen Autorinnen geschriebenen Science Fiction (SF). Diese würden ganz eigene dystopische oder utopische Gesellschaftsentwürfe zeichnen, die gesellschaftskritisch an die ‚Ränder des Verstehens‘ führen. Zum Wundern und Wandern im Reich der Imaginationen anregen. Charakteristika herrschender Dominanzsysteme entlarven: Fragmentierung, Dualismus, Heteronormative etwa. Und die damit verknüpfte (Ab-)Wertung, Trennung und Entfremdung von der Natur. Sind die transhumanistisch geprägten Vor-Stellungen hinderlich im Hinblick auf die evolutionären Möglichkeiten des Mensch-Seins? Die Aufklärung durch neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften steht erst am Anfang. Klar: Künstliche Intelligenz, klug programmiert und eingesetzt, kann die Menschheit bereichern. Krieg, Klimawandel, Pandemie: Dafür haben wir Menschen allerdings noch keine Lösungen gefunden. Sind wir schon „reif“ für die Maschine?
Nina Kreuzinger
Dagmar Fink: Cyborg werden. Möglichkeitshorizonte in feministischen Theorien und Science Fictions. 294 Seiten, transcript, Bielefeld 2021 EUR 42,00 und Open Access