Glücklich ohne Geschlecht
Maia Kobabe zeichnet in deren Graphic Novel Gender Queer. Eine nichtbinäre Autobiographie deren schwierige psychosexuelle und zugleich soziale Identitätsfindung nach, die in der Wahl des Pronomens dey zu einem verhaltenen Happy End führt. Als so gelesenes Mädchen in eine alternative Aussteigerfamilie hineingeboren, die „mit klassischen Geschlechterrollen nichts am Hut [hat]“, wächst Kobabe ziemlich ungezwungen auf, nur um beim Schuleintritt umso heftiger auf die soziale Praxis des ‚doing gender‘ – auch in der Waldorfschule – zu prallen. Der frühe Wunsch, nicht unbedingt ein Bub, aber auf jeden Fall kein Mädchen zu sein, das Gefühl, nicht zu wissen, wie sich ein Mädchen richtig verhält und zugleich der vage Widerstand dagegen, kulminiert in der durchaus traumatischen Erfahrung der ersten Menstruation und führt zu einer intensiven Ablehnung aller eigenen körperlichen Merkmale von Weiblichkeit sowie der dominanten sozialen Umgangsformen damit. Kobabe schildert deren von Unsicherheit, Verwirrung, Verzweiflung, aber auch Wut und vor allem Neugier geprägten Weg, die eigenen (körperlichen und sozialen) Erfahrungen, Empfindungen und sexuellen Phantasien mit den nie genau passenden sozialen Kategorien und Praxisformen für sex und gender in Einklang zu bringen. Ist dey lesbisch, bisexuell? Oder doch trans und dabei schwul? Wie dey es schließlich schafft, sich als queer in dem Sinn zu (er)finden, dass dey für die eigene Person jede geschlechtsspezifische Definition zurückweist und sich darüber hinaus in einer Selbstbefreiung als asexuell definiert, zeigt uns Maia Kobabe in sensibler und zeichnerisch wie sprachlich hervorragender Weise.
SaZ
Maia Kobabe: Gender Queer. Eine nichtbinäre Autobiographie. Farben von Phoebe Kobabe. Aus dem Engl. von Matthias Wieland. Handgelettert von Olav Korth. 240 Seiten, Reprodukt, Berlin 2024 EUR 20,95